Ausstellung vom 10. Mai bis 28. Mai 2023 „Menschlich, Sinnlich, Schmerzlich„ in der Galerie des Puchheimer Kulturcentrum PUC Osker-Maria-Graf-Str. 2, 82178 PUCHHEIM
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„Menschlich, Sinnlich, Schmerzlich „
Eine Überlegung
Aktmalerei von Marie-Kathrin Reiter-Daspet und Tom Hawes
In der westlichen Kunst ist der Akt eine ehrwürdige Tradition seit der Antike. Im Mittelalter, mit dem Aufbruch des Christentums, werden hauptsächlich biblische Darstellungen gemalt z.B. Madonna mit Kind oder die Kreuzigung. Das einzige biblische Thema, bei dem nackte Körper erscheinen, ist Adam und Eva. Erst in der Renaissance konzentrieren sich Leonardo und andere wieder auf die Wissenschaft der Anatomie und der Akt greift nicht nur biblische Themen auf sondern auch mythologische Themen wie die „Geburt der Venus“ von Botticelli, Michelangelo malt die Decke der Sixtinischen Kapelle und meißelt „David“. Später gibt es mit Manet, Klimt und Modigliani erotische Frauenakte. Bei Expressionisten wie Schiele und Kirchner wird die Nacktheit sogar mit Wucht gezeigt. Picasso malt dann die männliche Begierde in seiner Serie „Dora und der Minotaurus“ und nach dem zweiten Weltkrieg schaffen Bacon und Lucian Freud buchstäblich Menschen aus Fleisch und Blut.
Männliche Maler zeigen schon seit langem die Schönheit und Sinnlichkeit der Frau, doch bis zum 20. Jahrhundert sieht man selten Malerinnen. Warum? Teilweise weil Frauen auf die Gleichberechtigung warten müssen und bis heute Hürden begegnen. Aber auch weil die Tatsache, dass Frauen malen können, in der Öffentlichkeit unterdrückt wird. Dies obwohl Artemisia Gentileschi schon um 1620 die Enthauptung von Holofernes durch Judith malt, damit Stärke und Wille beweist und damit auch eine neue Art die Frau zu sehen zeigt: eigenständig und selbstbewusst. Suzanne Valadon schafft zum ersten (bekannten) Mal als Frau Männerakte von ihrem jungen Liebhaber, wo Sinnlichkeit, Schönheit und Männlichkeit zu sehen sind. Die Begierde einer Frau, die einen Mann ansieht. Paula Modersohn Becker greift ein typisches aber selten gezeigtes Frauen Thema auf, in dem sie sich schwanger und nackt malt. Tamara de Lempicka zeigt selbstsichere Frauen, die wie Männer gekleidet sind. Louise Bourgeois lässt sich von Mapplethorpe fotografieren mit ihrer riesigen Phallus-Skulptur unter dem Arm. Derselbe Fotograf zeigt in den 1980 Jahren sehr direkte Fotos von Männern in all ihrer ‚Männlichkeit‘.
Wie steht es mit dem Männerakt? Bei den Griechen ist er durch die Jahrhunderte gepriesen, aber ohne Mythologie und Märtyrer ist ein nackter männlicher Körper eine Seltenheit. Dürer malt sich zwar nackt in einem Selbstbildnis. Michelangelo und Caravaggio malen Männerakte. Doch ist es klar, dass es sich hier um ein Tabu handelt und oft werden Blätter benutzt um zu verbergen oder werden nachhinein hinzugefügt, wie es der Fall ist für die Sixtinische Kapelle. Lucian Freud malt Männerakte und sich selbst.
Was bedeutet der Akt für uns im 21. Jahrhundert? Mit dieser Ausstellung möchten wir einen Dialog aufgreifen: Wie ist der Blick einer Frau auf den weiblichen und männlichen Akt, wie ist der eines Mannes? Wir gehen davon aus, dass in jedem Menschen ein Anteil an Weiblichkeit wie auch an Männlichkeit lebt, insbesondere bei Künstlern. Insofern möchten wir Akte zeigen, wo die Frau nicht nur schön-sinnlich ist, sondern auch aktiv. Nicht nur Männer in ihrer ‚Männlichkeit‘, sondern auch ihre zarte, sinnliche Seite. Letztendlich, sind wir alle einfach nur Menschen, die von so vielen Gefühlen bewegt sind. Es ist auch ein Versuch das Wesentliche des Menschen zu zeigen, unabhängig vom Geschlecht, denn der Akt ist nicht nur eine Entblößung des Körpers sondern auch eine Entblößung der Psyche. Unsere Menschlichkeit hat als Fundament unsere Schwächen und Stärken und wir sind von so vielen Gefühlen durchtränkt, die vom Schmerz bis zur Sinnlichkeit gehen.